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  • AutorenbildKerstin Hosa

Klimawandel für Museen

Aktualisiert: 18. Jan. 2020

Karin Wolf vom Institut für Kulturkonzepte über eine neue Generation an Führungskräften, fehlende Ressourcen und die vorherrschenden Menschenbilder in Museen.


Das Interview führten Doris Rothauer & Tina Trofer


Karin Wolf berät seit 25 Jahren Kultureinrichtungen. Sie ist davon übereugt, dass es nicht mehr Optimierung braucht. Was es braucht, ist eine neue Haltung. © Belvedere: Johannes Stoll

Cultural Impact: Was sind aus Ihrer langjährigen Erfahrung und Zusammenarbeit mit Museumsfachleuten die derzeit grössten Herausforderungen, vor denen Museen stehen?


Wolf: Ein immer wieder an uns herangetragenes Problem ist die Suche nach Fachkräften und Führungspersönlichkeiten, die vertraut sind mit den speziellen Abläufen in Museen. Dann der Anforderungsdruck, der ständig steigt, ebenso wie die steigenden Kosten. Wie können wir die Arbeitsabläufe und die interne Kommunikation optimieren? Dahinter steht der Wunsch, Abläufe aus der Wirtschaft – Stichwort Prozessoptimierung - auf Museen zu übertragen, in die Museumsstruktur zu integrieren. Wobei meine persönliche Meinung dazu ist, dass sich vielfach nichts mehr optimieren lässt, denn die Museen sind intern gut organisiert und die Beschäftigten arbeiten engagiert und viel. Das Defizit der geringen Ressourcen mit Effizienz bekämpfen zu wollen, sehe ich als das eigentliche Problem.


Cultural Impact: Eine gefährliche Entwicklung?


Wolf: Ja! Den selben Output mit immer weniger Ressourcen oder immer mehr Output bei gleichbleibenden Ressourcen erreichen zu wollen oder zu müssen, sehe ich als gefährliche Entwicklung. Das hat mittel- und langfristig vor allem eine negative Auswirkung auf die Mitarbeiter_innen, die sich immer mehr verausgaben.

Cultural Impact: Wie steht es in diesem Zusammenhang mit dem Thema Organisationsentwicklung und Hierarchien in der Organisationsstruktur?


Wolf: Das wird noch zu wenig als Problem erkannt. Ich stelle immer wieder fest, dass die Organisationsformen in Museen nicht die innovativsten sind. Holakratie oder Soziokratie sind noch ganz fremde Themen, das kennt man gar nicht. Wenn, dann setzt man an der Verbesserung der bestehenden Struktur an, nicht an einer grundlegende Veränderung, einem neuen Verständnis von Management, Organisation und Mitarbeiterführung. Eine weitere grosse Herausforderung ist Audience Development und die Frage: wie komme ich an neue Publikumsschichten? Manchmal ist die Motivation eine gesellschaftspolitische, manchmal auch eher eine wirtschaftliche zu sein, begründet mit den Vorgaben der Kulturpolitik nach Besucherzahlen als Erfolgskriterium. Dann die Suche nach neuen Finanzierungsformen, nach Drittmitteln, das ist ebenfalls eine grosse Herausforderung. Und je kleiner die Museen sind, ist Arbeit mit Freiwilligen ein Thema. Ein sehr zukunftsgerichtetes Thema, denn das ist ja durchaus nah an der Wirkungsorientierung: Was gibt man in die Gesellschaft hinein durch Freiwilligenarbeit?


Cultural Impact: Was gibt es für Lösungsansätze? Sie bieten ja mit Ihrem Seminarprogramm einiges an.


Wolf: Naja, unser Angebot mit Weiterbildung und Coaching kommt dort zum Tragen, wo das Bewusstsein im Museum bereits vorhanden ist, etwas zu verändern. Im Bereich Personalentwicklung und Mitarbeiterqualifizierung haben wir einiges anzubieten. Wenn es aber um reine Effizienz und Optimierung geht, dann sind wir nicht der richtige Ort. Das ist mir zu einseitig. Es geht nicht mehr darum, es noch besser oder noch schneller zu machen, sondern um eine grundsätzliche Auseinandersetzung, welches Menschenbild und welches Verständnis von Arbeit in einem Museum herrscht. Dabei gibt es keine Patentlösungen, es braucht immer den Diskurs, den Austausch in der Kollegenschaft. Auch das bieten wir an, zum Beispiel mit regelmässigen Round Table Gesprächen und Best-Practice-Beispielen aus allen Kultursparten. Das ist unser USP: Vernetzung und Kommunikation bereichsübergreifend.



Auch in Kultureinrichtungen sind neue Organisationsformen gefragt. Der Ruf nach reiner Effizienz und Optimierung ist kein Modell mit Zukunft. Vielmehr braucht es neue Werte. © Sandra Rinder, Institut für Kulturkonzepte

Cultural Impact: Gibt es auf der Lösungsebene Trends, die man feststellen kann?


Wolf: Ein Negativ-Trend, den ich wahrnehme, ist der Wunsch nach ganz schnellen Kompaktlösungen. „Bitte schneller, kürzer, kompakter“, das hören wir auch bei unseren Weiterbildungsprogrammen.


Cultural Impact: Was verstehen Sie unter Wirkungsorientierung und wäre das ein Ausweg aus der Falle?


Wolf: Ja, aber Wirkungsorientierung muss meiner Meinung nach sehr individuell und differenziert für jedes Haus definiert werden. Das Selbstverständnis zu definieren, wer sind wir und was wollen wir, da fangt für mich Wirkungsorientierung an.


Visionär, zukunftsorientiert, auch provokant und irritierend – darum geht es ja in der Kunst. Und man muss sich auch die Frage stellen, wie gehe ich mit den Menschen, mit den Mitarbeiter_innen um, was ist ihre Arbeit wert, wie wird sie bezahlt. Sich mit Fragen der Wirkung auseinanderzusetzen ist sicher eine der Hauptherausforderungen für Museen und Kulturbetriebe aller Art.

Cultural Impact: Warum?


Wolf: Weil sowohl die gesellschaftspolitischen Anliegen der Kultur, als auch der Druck nach Effizienz steigen. Möglicherweise ist es aber auch ein Generationenproblem. Man müsste sich bei den jüngeren Führungskräften umschauen, was sie dazu sagen. Solche Prozesse hängen ja von den Führungspersönlichkeiten ab. Und damit auch von der Bestellung. Also ein kulturpolitisches Thema. Ansonsten, ganz pragmatisch gesprochen, ist es der Druck, der wirtschaftliche und der gesellschaftliche Druck, der Veränderung auslöst. Und der Druck wird sich in Zukunft erhöhen. Wenn es dann entsprechende Alternativansätze gibt, wird man aus der Not heraus dorthin schauen. Vorbildhaft sind da schon jetzt die kleineren Institutionen.


„Bitte schneller, kürzer, kompakter“ - Museen wird immer mehr Output bei weniger Mitteln abverlangt. Dem gilt es mit einem radikalen Transformationsprozess entgegen zu treten. © Sandra Rinder, Institut für Kulturkonzepte

Cultural Impact: Effizienzmodelle aus der Wirtschaft übernehmen zu wollen, ist ja 20. Jahrhundert, das sind ja veraltete Modelle, von denen man sich in der Wirtschaft zunehmend verabschiedet – ein Beispiel ist der sozial unternehmerische Bereich. Der könnte ja Vorbildwirkung für Kulturinstitutionen haben, sich als Change Maker zu verstehen. Was würde einen radikalen Transformationsprozess beschleunigen?


Wolf: Da kann man nur bei jenen Institutionen ansetzen, die für sich bereits erkennen, dass es um einen radikalen Transformationsprozess gehen muss. Das ist für mich der Kernpunkt, wenn Wirkung als „Change Making“ verstanden wird. Kulturbetriebe werden sich in der Zukunft – und das fängt jetzt an – ganz grundlegende Fragen stellen und neu definieren müssen: Was ist ein Museum, was ist ein Theater? Was will ich als Kulturbetrieb in der Gesellschaft bewirken?


Karin Wolf ist Gründerin und Direktorin des Instituts für Kulturkonzepte. Kulturkonzepte unterstützen seit 25 Jahren Menschen dabei, ihre individuellen Karrierepläne zu erreichen.


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